Betriebsratsvorsitzender ersetzt noch keinen Betriebsratsbeschluss

Durch Entscheidung vom 08.02.2022 (Az. 1 AZR 233/21) hob das Bundesarbeitsgericht (BAG) ein Urteil des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf auf und erklärte, dass das Erfordernis eines Betriebsratsbeschlusses nicht durch "Anscheinsvollmacht" umgangen werden könne. Eine Betriebsvereinbarung bedarf danach zu ihrer Wirksamkeit stets eines ordnungsgemäßen Beschlusses.

Im zugrundeliegenden Sachverhalt hatte der Vorsitzende des Betriebsrats unter Billigung der übrigen Betriebsratsmitglieder, jedoch ohne dahingehenden Beschluss, eine Betriebsvereinbarung unterzeichnet. Gemäß § 26 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist der Betriebsratsvorsitzende zwar vertretungsberechtigt, diese Befugnis findet ihre Grenzen allerdings in den Beschlüssen des Betriebsrats, sodass der Vorsitzende nur im Rahmen dieser eine Vertretungsmacht inne hat. Fraglich war deshalb, ob das Handeln des Vorsitzenden dem Betriebsrat nicht aufgrund einer erfolgten informellen Beratung und Billigung durch die anderen Mitglieder mittels sogenannter Anscheinsvollmacht zurechenbar ist. Eine solche kann vorliegen, wenn der Vertragspartner gutgläubig von einer tatsächlich nicht bestehenden Vertretungsmacht ausgeht und mit Blick auf die Umstände auch ausgehen durfte. Der Anschein wird dadurch erweckt, dass der "Vertreter" wiederholt und über einen längeren Zeitraum in dieser Rolle auftritt.

Während die vorausgehenden Instanzen dies für möglich hielten, sah das BAG indes keinen Raum für die Anwendung der Anscheinsvollmacht. Durch eine Betriebsvereinbarung sind unmittelbar auch Dritte betroffen und zulasten dieser dürfe sich ein "Rechtsschein" nicht auswirken.

Arbeitgeber:innen könnten sich absichern, indem sie eine Sitzungsniederschrift anfordern. Ohne Beschluss oder zumindest nachträgliche Genehmigung eines solchen ist die Betriebsvereinbarung unwirksam.

Autor
Felix Grünebaum, wissenschaftlicher Mitarbeiter
Veröffentlicht am:
11/8/2022
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