Mit Beschluss vom 31.05.2022 (Az. 1 BvR 2387/21) hat der zuständige Senat des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) die Verfassungsbeschwerde einer Arbeitnehmervereinigung, welche sich gegen die Aberkennung ihrer Tariffähigkeit durch arbeitsgerichtliches Urteil zu wehren versuchte, nicht zur Entscheidung angenommen.
Ursprünglich diente die "DHV" allein der Interessenvertretung von Kaufmannsgehilfen. Zuletzt stellte sie sich jedoch wesentlich breiter und branchenübergreifend auf, indem sie ihre Zuständigkeit u.a. auch bei Banken, gesetzlichen Krankenkassen und IT-Dienstleistungen, im Einzelhandel und Versicherungsgewerbe sowie in der Fleischindustrie, Wirtschaftsprüfung und Anwaltschaft begründet sah. Die Zahl der Mitglieder belief sich (Anfang 2020) nach eigener Aussage auf fast 67.000 und fiel damit gegenüber den etwa 6,3 Millionen Beschäftigten, die in den beanspruchten Bereichen organisiert sind, eher gering aus. In Ermangelung der erforderlichen Durchsetzungsfähigkeit bei Tarifforderungen erkannten Land- und Bundesarbeitsgericht (BAG) der DHV ihre Tariffähigkeit ab, nachdem konkurrierende Gewerkschaften sowie die Länder Berlin und NRW entsprechende Anträge gestellt hatten. Darin sah die Arbeitnehmervereinigung vor allem die durch Art. 9 Abs. 3 GG gewährte Koalitionsfreiheit sowie die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung verletzt und wandte sich an das BVerfG.
In Karlsruhe bestätigte man die Auffassung des BAG und nahm die Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung an. Wenn der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Gewerkschaftseigenschaft nicht näher definiere, ist es gar Aufgabe der Gerichte, die Tariffähigkeit "im Lichte des Art. 9 Abs. 3 GG" zu konkretisieren. Schon erreichte Tarifabschlüsse können ein Indiz für die Tariffähigkeit sein, maßgebliches Kriterium ist aber der Organisationsgrad der Gewerkschaft. Jedenfalls in einem nicht unwesentlichen Teil des Zuständigkeitsbereichs muss eine gewisse Signifikanz erreicht sein, die vorliegend nicht bestand.